Der Beamtenstatus für Lehrkräfte – ein Gebot des Grundgesetzes!

    Politische Vorüberlegungen zum Beamtenstatus

    Im Dezember 2023 hat der Europäische Gerichtshof für Men­schenrechte (EGMR) mit einem wegweisenden Urteil entschieden, dass das für deutsche Beamte gel­tende Streikverbot zulässig ist und nicht die europäische Menschenrechtskonvention verletzt.

    Er bestätigte damit die Rechtsauf­fassung des Bundesverfassungs­gerichts (BVerfG), die dieses mit seinem Urteil vom Juni 2018 eindeutig und umfassend dargelegt hatte, dass nämlich das Streikver­bot für deutsche Beamtinnen und Beamte verfassungsgemäß sei und mit dem Europarecht in Ein­klang stände.

    Für den dbb beamtenbund und tarifunion und seine Mitgliedslehr­kräfteverbände, also auch den Deutschen Philologenverband (DPhV), war es ohnehin schon immer selbstverständlich und für ihre Arbeit leitend gewesen, dass Lehrkräfte aller Schulformen grundsätzlich im Beamtenstatus zu beschäftigen wären.

    Nicht zuletzt auch durch die Pan­demie und die schwierige Beschulungssituation währenddessen wurde besonders deutlich, wie sehr der Staat und die Gesell­schaft darauf angewiesen sind und darauf vertrauen können, dass die Lehrerschaft ihren Dienst weisungskonform versieht. Nur dadurch konnte das System Schu­le funktionstüchtig bleiben und bildete für die von ihm Abhängigen, Schüler- und Elternschaft, Lehr­kräfte und indirekt auch der Arbeitsmarkt, einen ‘Systemanker’. Die Lehrkräfte waren also system­relevant.

    Ein weiteres Problemfeld hatte sich bereits vorher aufgetan. In den vergangenen Jahren ergab sich aufgrund der Migrations­zuwanderung aus zumeist nicht­christlich orientierten Ländern das Problem einer angemessenen reli­giösen Unterweisung der Kinder und Jugendlichen, die im Wesentlichen nicht durch deutsche Lehr­kräfte geleistet werden konnte. Nur hatten hier dann auch die Bundesländer keine Möglichkeit, ihrer schulischen Aufsichtspflicht nachzukommen, wie es bei eigenen Lehrkräften selbstverständlich und gesetzlich geregelt ist. Dadurch konnte aber ‚Irritationen‘ in der Öffentlichkeit bezüglich der grundsätzlichen Ausrichtung des Unterrichts sowie der Unterrichtsinhalte, der verwendeten Methoden und Unterrichtsmedien nicht durch amtliche Maßnahmen begegnet werden, wie es mit Hilfe der üblichen Schulaufsicht bei verbeamteten Lehrkräften möglich ist und praktiziert wird. Auch hier zeigt sich der Vorteil für den Staat und seine Gesellschaft durch den Beamtenstatus von Lehrkräften und Schulleitungen.

    Politische Argumente

    Die politische Diskussion darüber, ob die Lehrtätigkeit eine »hoheitsrechtliche« gemäß Artikel 33, Abs. 4, sei, wird seit mehr als 50 Jahren geführt. Immer dann, wenn es um die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung ging, spielte auch eine Reform des Beamtenrechts eine Rolle im Hinblick darauf, was als vorrangige Staatsaufgabe angesehen wurde und wie in Abhängigkeit davon die staatliche Organisation und die einschlägigen Rechtsnormen inkl. des Haushaltsrechts verändert werden sollten. Die Frage der Lehrerverbeamtung stand zudem spätestens nach der Wiedervereinigung im Fokus.

    Als weitere Ursache für die Diskussion um die Verbeamtung von Lehrkräften kann man die ebenfalls seit vielen Jahren vorhandene Unsicherheit über die Finanzierung der Altersversorgung der Beamtenschaft generell und in den Ländern insbesondere der zahlenmäßig erheblichen Lehrerschaft sehen. Dabei unterscheiden sich die in diesem Zusammenhang genannten Zahlen vom Bundesrechnungshof, über die Rentenversicherungsträger bis hin zu wissenschaftlichen Gutachten zum Teil erheblich und sind somit für die juristische Bewertung der Frage in keiner Weise hilfreich oder können dafür leitend sein.

    1. Dem Staat ist durch Art. 7 Grundgesetz die Verantwortung für das Schulwesen übertragen: »Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates«

    Daraus folgt die staatliche Verantwortung für Bildung und Erziehung, die vor allem über die Schule wahrgenommen wird.

    Der Staat kommt diesem Auftrag nach durch die Schulpflicht, die in allen Länderverfassungen abgesichert ist.

    Der Staat kann aber das Gebot der Schulpflicht nur so lange aufrechterhalten, wie es auch ein kontinuierliches Schulangebot gibt. Ein solches Angebot entfällt, wenn auch nur vorübergehend die Beschäftigten die Schule ‘lahmlegen’ können. Dies könnte vor allem durch einen Lehrerstreik geschehen, der bei einer regelmäßigen Beschäftigung von Lehrkräften im Angestelltenverhältnis möglich wäre.

    Das mit dem Beamtenstatus verbundene Streikverbot garantiert ein gut funktionierendes und stabiles staatliches Bildungssystem und korrespondiert daher mit der gesetzlich verankerten Schulpflicht.

    Der Beamtenstatus verhindert, dass Arbeitskämpfe auf dem Rücken von Schülern ausgetragen werden. Er sichert die Kontinuität und Qualität der schulischen Bildungsarbeit. Diese Faktoren entscheiden mit darüber, ob das verfassungsrechtliche Ziel, Chancengleichheit herzustellen, tatsächlich verwirklicht wird.

    Der Schulpflicht der Kinder entspricht deshalb auf der Lehrerseite das Streikverbot, das nur der Beamtenstatus für Lehrer sichert.

    1. Der Beamtenstatus der Lehrkräfte schützt den öffentlichen Erziehungsauftrag und sichert die pädagogische Freiheit.

    Eine durch den Beamtenstatus unabhängige Lehrerschaft, nur den Lehrplänen, den Schulgesetzen und der Verfassung verpflichtet, gemäß Artikel 5, Abs. 3 GG, bietet Sicherheit und Vorteile für Schüler und Eltern und begrenzt politische Experimente. Eltern sollen sicher sein können, dass ihre Kinder eine möglichst solide, unvoreingenommene und kritische Bildung erhalten und zur Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung erzogen werden.

    Neutralität und Gerechtigkeit bei der Ausübung des Lehrerberufs werden durch den Beamtenstatus gesichert. Er gewährleistet den öffentlichen Erziehungsauftrag gegen unzulässige Einflüsse aus dem gesellschaftlichen, weltanschaulichen und politischen Bereich. Seine besonderen Bindungen stellen sicher, dass die Schulen nicht zum Austragungsort gesellschaftlicher und politischer Konflikte werden.

    Gerade die Erfahrungen, die die Lehrkräfte im Osten Deutschlands vor der Wiedervereinigung gesammelt haben, bestärken darin, der Sicherung der pädagogischen Freiheit besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden und partei- oder interessenpolitischer Bevormundung in jeder Form einen Riegel vorzuschieben.

    1. Lehrkräfte an öffentlichen Schulen üben hoheitsrechtliche Befugnisse aus.

    Hierzu gehören insbesondere Notengebung, Vergabe von Schulabschlüssen, Versetzungen, Zulassung zu weiterführenden Schulen und Disziplinarmaßnahmen (z. B. Ausschluss aus der Schule).

    Die juristische Diskussion darüber, ob die Lehrtätigkeit eine »hoheitsrechtliche« gemäß Artikel 33 Abs. 4 GG sei, kommt seit Jahren zu keinem eindeutigen Ergebnis, auch wenn in der Tendenz die Frage mehrheitlich positiv beantwortet worden ist. Auch können verschiedene Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts nur so interpretiert werden, als dass die Tätigkeit von Lehrkräften an öffentlichen Schulen grundrechtswesentlich ist und mithin als ‘Ausübung hoheitlicher Befugnisse‘ im Sinne von Art. 33 Abs. 4 GG zu qualifizieren ist. Grundlage dafür ist die Überzeugung, dass diese neben der Eingriffsverwaltung auch grundrechtswesentliche Leistungsverwaltung erfassen.

    Das Berufsbeamtentum allgemein sichert – nicht zuletzt durch das Streikverbot und die Verpflichtung zur neutralen und objektiven Amtsführung – eine stabile Verwaltung. Verbeamtete Lehrkräfte gewährleisten im Speziellen, dass der Staat seiner Verpflichtung zur Bereitstellung und zur Sicherung eines Schulwesens für alle Kinder und Jugendliche nachkommen kann. Zudem wird eine Lehrtätigkeit frei von äußeren Zwängen und Einwirkungsmöglichkeiten garantiert.

    Eine Reduzierung der hoheitsrechtlichen Aufgaben auf die Bereiche, in denen der Staat mit »Befehl und Zwang« tätig wird, würde zu einer verfassungsrechtlich nicht gewollten Einengung der den Beamten nach Art.33 Abs.4 GG zugewiesenen Aufgabenfeldern führen.

    Das Berufsbeamtentum kann nicht aus besonders wichtigen Formen öffentlich rechtlicher Verwaltung herausgedrängt werden und damit auf einen rein obrigkeitsstaatlich geprägten Verwaltungstyp reduziert werden, ohne dass der soziale Rechtsstaat Schaden nimmt.

    Somit erscheint es zwingend geboten, Lehrkräfte als Beamte einzustellen und gemäß Artikel 33 Abs. 5 GG entsprechend zu alimentieren.

    In Bayern legt überdies bereits die Landesverfassung in Artikel 133 Abs. 2 fest: »Die Lehrer an öffentlichen Schulen haben grundsätzlich die Rechte und Pflichten der Staatsbeamten.«

    Schlussbemerkungen

    Zweifel zu den obigen Darlegungen waren in der jüngeren Vergangenheit dadurch aufgekommen, dass das europäische Rechtsverständnis offensichtlich eher zu einer Verneinung des Verbeamtungsgebots neigte, weshalb folgerichtig auch der EGMR in Straßburg ein Streikrecht für Lehrkräfte in Deutschland für rechtmäßig zu halten schien. Mit dem Beschluss des EGMR vom Dezember 2023 haben sich die diesbezüglichen Befürchtungen nun auf lange Sicht hin ergeben. Und auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat bislang keine Inkompatibilität des Beamtenstatus gemäß Artikel 33 Abs. 4 GG mit dem AEUV Artikel 45 Abs. 4 festgestellt.

    Mithin stehen weder das EU-Recht noch das Recht der EMRK der verfassungsrechtlich begründeten Verpflichtung zur Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern an öffentlichen Schulen entgegen.

    Neben den verfassungsrechtlichen Überlegungen gab es für die Landesregierungen als Dienstherren aber offensichtlich immer wieder solche finanzpolitischer Natur. Hierbei liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Bundesland finanzielle Spielräume braucht, um Investitionen tätigen und fällige Schuldentilgungen vornehmen zu können, d.h. also, seine Haushaltsausgaben, da wo es möglich ist, zu reduzieren. Hierzu sah man vor allem bei den Lehrkräften eine Möglichkeit, da sie angeblich kostengünstiger seien, sofern man sie nicht verbeamtet. Etliche Gutachten schienen zu bestätigen, dass sich damit schon kurzfristig Ausgaben verringern lassen, insbesondere aber langfristig durch den Entfall der Zahlung von Versorgungsbezügen.

    Im Kern ging es also nicht allein um die Frage einer Deckung von kurzfristigen Haushaltslücken durch Maßnahmen bei der Beamtenbesoldung, was höchstrichterlich in der Vergangenheit immer beanstandet worden ist. Die Argumentation erfolgte auf einer höheren Ebene, auf der die Existenzfähigkeit eines Staates in haushaltspolitischer Hinsicht gegen seine ihm grundgesetzlich auferlegten Verpflichtungen abgewogen wird und dadurch diese Verpflichtungen möglicherweise relativiert werden.

    Dennoch zeigten zahlreiche Gutachten von Wirtschaftsinstituten wie vor allem auch von Länderministerien seit mehr als zwanzig Jahren, dass Beamte nicht teurer sind als Angestellte und damit nicht wesentlich zu bestehenden und künftigen Haushaltsdefiziten beitragen.

    Diese Auffassung teilt der DPhV in Übereinstimmung mit dem dbb beamtenbund und tarifunion ausdrücklich und ist aufgrund der Zahlenlage überzeugt, dass die Kosten für Beamte – einschließlich der Versorgungskosten – in allen Laufbahngruppen unter denen für vergleichbare Arbeitnehmer liegen.

    Sollten also im Lehrerbereich flächendeckend bei Neueinstellungen nur noch Angestellte eingestellt werden, würde dies in den folgenden Jahren zu erheblichen Mehrausgaben führen. Denn einerseits müssten die Pensionskosten der Beamten gezahlt werden und andererseits müssten die Länder zeitgleich 50% der Sozialversicherungsbeiträge und die Aufwendungen für die Zusatzversorgung für die Angestellten erbringen.

    Horst Günther Klitzing


    Infos: Dr. Horst Günther Klitzings Veröffentlichungen umfassen ein großes Spektrum bildungspolitischer, beamtenrechtlicher und sozialpolitischer Fragen. Sein Engagement gilt hier beispielsweise gymnasialen Leistungsstandards und – als Sprecher der Senioren – auch deren Anliegen wie der Bekämpfung der Altersarmut.

    Dr. Horst Günther Klitzing leitete in seinem letzten Amt seiner aktiven Dienstzeit das Staatliche Prüfungsamt für das Lehramt an Schulen beim Kultusministerium des Saarlandes. Von 1991 bis 2006 war er Vorsitzender des Saarländischen Philologenverbands, und von 2004 bis 2017 stellvertretender Bundesvorsitzende des DPhV. Dr. Klitzing – seit 2017 Ehrenmitglied des DPhV sowie des dbb saar – führt seit 2018 die dbb-Bundesseniorenvertretung.

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